Vortrag 16. November 2006 Bünde/Westerenger

4. Beispiele aus Europa und Japan

Ein immer wieder zitiertes Musterbeispiel für innovative Bestattungskultur, für den "Traum vom anderen Tod", bieten die Niederlande. Die Krematorien - gleichviel, ob privat oder kommunal - offerieren ein wesentlich breiteres Dienstleistungsangebot als hierzulande: Wer will, kann die Trauerfeier von Bongo-Trommeln oder Multimedia-Technik, lauter Rock- oder leiser Harfenmusik, aber auch von einer Laser-Show begleiten lassen. Zur Beisetzung stehen sowohl Urnenhaine und Kolumbarien als auch ansprechend gestaltete Aschenstreuwiesen bereit - oder man nimmt die Asche mit nach Hause (übrigens kann die Aschenausstreuung auch als "Luftbestattung" per Flugzeug über dem Meer ausgeführt werden). Auch Halsketten sind im Angebot, in deren Herzchen, Kugeln und Kreuzen sich Asche einfüllen läßt. Die stark kundenorientierten, sich als Dienstleister verstehenden Krematorien offerieren darüber hinaus spezielle Empfangs- und Kondolenzräume, Aulen und Kapellen für Trauerfeierlichkeiten, Musikberatung und Musikervermittlung. Mit der sogenannten "koffiekamer" gibt es eigene Räume für den Leichenschmaus, der in der Regel während der Einäscherung stattfindet. Ansonsten kann man auch der Einäscherung direkt beiwohnen. Die Bestattungszeiten werden flexibler als in Deutschland gehandhabt, beispielsweise sind Samstagsbestattungen durchaus möglich. Viele Friedhöfe bieten eine Videoaufzeichnung der Trauerfeier an. Es gibt zahlreiche Varianten der halbanonymen Beisetzung. Bekannt wurde der Gemeinschaftsbegräbnisplatz für die Fans des Fußballvereines Ajax Amsterdam. Rasensoden des alten Ajax-Stadions wurden ausgestochen und auf dem Amsterdamer Friedhof Westgaarde zu einer Aschenstreuwiese neu zusammengelegt - die an der Bande befestigten Namenstafeln haben konsequenterweise die Form eines Fußballs.

In der Schweiz nahme die Idee der Naturbestattung zuerst neue Formen an. 1997 ist der erste sogenannte "Friedwald" eingerichtet worden, genauer gesagt: in Mammern im Kanton Thurgau. Rein äußerlich ist von einem Bestattungsplatz wenig zu erkennen. Die Idee dieses von einem Verein betriebenen "Friedwaldes" liegt darin, die Aschenbestattung mit landschaftlich schöner Umgebung, vor allem aber mit Bäumen zu verbinden (in der Schweiz kann die Asche nämlich an jedem beliebigen Ort beigesetzt werden). Die menschlichen Überreste werden mittels einer Röhre in einen bestimmten, zuvor käuflich erworbenen und dann im "Friedwald" gepflanzten Baum eingelassen. Kleine Hinweistäfelchen an den Bäumen sind vorgesehen. Seit 2001 entstehen übrigens auch in Deutschland solche Baumbestattungs-Areale - mittlerweile gibt es zwei konkurriende Unternehmen, die auf diesem Gebiet agieren: "Friedwald" und "Ruheforst", und im bieten auch einige kommunale Friedhöfe die Baumbestattung an.

Teilweise ganz ähnliche Ziele verfolgt das 1991 in Großbritannien gegründete Natural Death Centre. Es fördert die Einrichtung sogenannter Nature Reserve Burial Grounds (Naturfriedhöfe). Auf diesen "grünen" Begräbnisplätzen, die ebensowenig wie das Schweizer Beispiel mit den in Deutschland bekannten Waldfriedhöfen zu verwechseln sind, kommt ein Baum statt eines Grabsteins auf jede Ruhestätte. Kein Bestattungsmonopol behindert hier, wie in Deutschland, solche Aktivitäten. Im Übrigen unterstützt das Natural Death Centre häusliches Sterben ebenso wie selbstorganisierte Bestattungen. Der Öffentlichkeitsarbeit dient der jährliche English Day of Dead, der jeweils am zweiten Sonntag in April veranstaltet wird. Zu den Schwerpunktthemen gehörten in den 90er Jahren unter anderem "Kunst und Musik" sowie "Bestattungsrituale".

Auch in Großbritannien ist das private Verstreuen der Asche möglich - wo immer man möchte. Auf den Geländen der Krematorien, die übrigens im städtischen Raum durch Ausschilderungen immer präsent sind, werden "Rose Gardens" angelegt, auf denen die Asche verstreut werden kann. Man kann aber auch die Asche in der freien Landschaft verstreuen. Von einer solchen Reise mit der Aschenurne handelt der Roman "Letzte Runde" des britischen Schriftstellers Graham Swift. Ziel ist die südenglische Küste, wo - so der Wunsch des Verstorbenen - die Asche von seinen vier Freunden ins Meer gestreut werden soll. Aus der Sicht eines der Protagonisten stellt sich das Finale an der Mole wie folgt dar: " ... und sie alle stellen sich auf der Leeseite an die Brüstung und strecken ihre fest geschlossene Hand aus, als hielte jeder einen kleinen Vogel drin, den er freilassen will, und wir müssen es alle zusammen tun, deshalb warten sie auf mich. ... Die Asche ist weich und gleichzeitig körnig und fast weiß, wie weißer, weicher Sand von einem Strand. Dann zieh ich die Hand ganz schnell raus und werfe. Sie müssen alle zur gleichen Zeit geworfen haben, aber ich sehe nicht zu ihnen hin, ich sehe dem nach, was ich geworfen habe. Ich sage: 'Leb wohl, Jack.' Ich sage es zum Wind. Und sie sagen: 'Leb wohl, Jack'."

Für Farbtupfer ganz anderer Art sorgen seit einiger Zeit islamische Bestattungen. Immer mehr Moslems wollen nach dem Tod nicht mehr in ihr Heimatland überführt werden. Vor allem bei Türken sind die sozialen Bindungen in Deutschland sehr stark geworden. Von Aachen bis Wuppertal - in zahlreichen Städten gibt es mittlerweile islamische Gräberfelder, deren Einrichtung in den religiösen Vorschriften begründet liegt. Wie der Religionswissenschaftler Thomas Lemmen schreibt, dürfen Moslems nur zusammen mit Glaubensbrüdern beigesetzt werden. Die Toten müssen mit unbegrenzter Ruhefrist gen Mekka liegen. Zu den islamischen Bestattungszeremonien gehört auch, daß der Tote durch Familienangehörige rituell gewaschen, in Leinentücher eingewickelt und zum Totengebet aufgebahrt wird. Die rituelle Waschung kann im Krankenhaus, in den Räumen des Bestattungsunternehmens oder auf dem Friedhof vorgenommen werden. Inzwischen werden die entsprechenden Räumlichkeiten auch in Deutschland meist zur Verfügung gestellt. Schwieriger wird es bei dem hierzulande vorgeschriebenen Sarg - nach islamischen Ritual werden nämlich die Toten in Leinentüchern beigesetzt, um die Auferstehung zu ermöglichen. Aber auch hier zeigt die deutsche Friedhofsbürokratie neuerdings immer mehr Flexibilität. In Hamburg ist beispielsweise seit 1998 die Bestattung im Tuch erlaubt, andere deutsche Bundesländer und Städte zogen nach.

nach oben