Vortrag 16. November 2006 Bünde/Westerenger

3. "Bestattungsritual im Übergang"

In der Schweiz erschien eines der bemerkenswertesten Bücher über den Wandel der Bestattungskultur - zugleich Begleitband einer ebenso bemerkenswerten, großes Interesse erregenden Ausstellung: "Last Minute" (1999 ff). Zu einem griffigen Slogan wurde der Beitrag von Corinna Caduff über "Bestattungsrituale im Übergang".

Dieser Titel trifft die postindustriellen Lebenswelten, die ja auch der Bestattungs- und Trauerkultur neue Potentiale eröffnet. Sicher: Das "Bestattungsritual im Übergang"1 führte zur Auflösung traditioneller Rituale. Aber es brachte auch neuer Muster hervor, in denen die selbstbestimmten Elemente einen höheren Stellenwert gewinnen: "Im Rahmen der gesetzlichen Bestattungsvorschriften sucht man Patchwork-Rituale zu kreieren, bei denen man auf Bestandteile der konventionellen kirchlichen Bestattung zurückgreift und sich aber gleichzeitig die Möglichkeit für einen eigenen Aktionsraum verschafft."2 Das "Patchwork" dieser ins Experimentelle hineinspielenden Zeremonien kann aus einem persönlich gestalteten und angelegten Totenkleid bestehen, aus der Bemalung des Sarges, eigener Reden und eigener musikalischer Darbietungen.3 Dabei werden die einzelnen Mitglieder der "Trauergemeinschaften" aktiver als bisher, der Anteil individueller, d.h. nicht-ritualisierter Elemente stärker. Das bedingt natürlich auch eine intensivere Auseinandersetzung mit der verstorbenen Person. Andererseits verbleiben wichtige Elemente in den Händen anderer Institutionen (Bestatter, Friedhofsverwaltungen). So sind die "Patchwork-Rituale" Zeichen eines Übergangs: "Diese Mischformen von delegierter und nicht-delegierter Bestattung sind nicht einfach nur als progressiv-bewegte Bestattungsform zu lesen. Vielmehr sind sie das unübersehbare Symptom eines sinnentleerten und institutionell nicht mehr funktionierenden Christentums. Sie manifestieren den Übergang von dem prekär gewordenen religiösen Bestattungsritual hin zu einem neuen Ritual; ein Übergang, der geprägt ist von Suchbewegungen und Experimenten ... Doch jede einzelne Bestattung mit nicht-delegierten Elementen, so gering und verborgen diese auch sein mögen, ist immer auch Teil dieser gegenwärtig stattfindenden, kollektiv-gesellschaftlichen Arbeit am Bestattungsritual."4