- 1. Die Deiche
- 2. Deich als Statussymbol der Marschenbauern
- 3. Die Sturmflutserien
- 4. Deichordnung
- 5. Oberdeichgräfenamt
Vortrag am 4. Nov. 2006 in Stade
1. Die Deiche
Was sind und wozu braucht man Deiche? Die Antwort scheint banal: Deiche sind fest aufgeschichtete, zweckentsprechend geformte und aus Erdbaumaterialien bestehende Dämme.1 Sie trennen an der deutschen Nordseeküste und der Niederelbe das Land vom Meer. Entgegen landläufigen Mythen wurden die frühen Deiche nicht in erster Linie gebaut, um die Küstenbewohner vor dem Meer zu schützen. Vielmehr basierte der frühe Deichbau auf agrarökonomischer Rationalität. Diese Deiche, so die Auffassung neuerer küstenarchäologischer Forschungen,2 dienten der Intensivierung und Ausdehnung landwirtschaftlicher Nutzflächen in den äußerst fruchtbaren Nordseemarschen. Sie ermöglichten die ganzjährige Bewirtschaftung mit salzresistenten Nutzpflanzen wie Hafer, Roggen oder Ackerbohnen.
Die Entscheidung zum Deichbau an der Nordsee war also "keine zwingend notwendige Reaktion auf naturräumliche Bedingungen".3 Sie bildete lediglich eine von mehreren Optionen, an der Küste zu wirtschaften, zu arbeiten und zu leben. Aber man entschied mit dem Deichbau, auf welche Art und Weise der "amphibische" Lebensraum genutzt werden sollte: nämlich im Interesse einer intensivierten Landwirtschaft und des grundbesitzenden Marschenbauerntums. Gegenüber der Wurtensiedlung war der Deichbau die zwar riskantere, aber ökonomisch lukrativere Option - weil er die Räume öffnete.