- 1. Die Deiche
- 2. Deich als Statussymbol der Marschenbauern
- 3. Die Sturmflutserien
- 4. Deichordnung
- 5. Oberdeichgräfenamt
Vortrag am 4. Nov. 2006 in Stade
5. Oberdeichgräfenamt
Die detailliertesten Vorschriften bleiben ohne Wert, wenn ihre Einhaltung nicht kontrolliert wird. Dies sah man auch in Stade so. Nur wenige Jahre nach Erlass der Deichordnung wurde daher das Amt eines staatlichen Oberdeichgräfen endgültig etabliert, also einer Aufsichtsinstanz für die einzelnen Schauungen. Berufen wurde 1696 wegen seines Fachwissens zunächst ein gewisser Ove Lorentz, der weit jenseits der Elbe auf der Halbinsel Eiderstedt lebte und sein Amt auch von dort ausübte. Mehrfach musste Lorentz den relativ langen und beschwerlichen Weg von Eiderstedt über die Elbe in die Herzogtümer Bremen und Verden antreten. Aus einem Memorial vom 28. Juli 1696 geht hervor, dass Lorentz zu diesem Zeitpunkt bereits einige Reisen in seiner neuen Funktion unternommen hatte. Allerdings wurde ihm bald in Gestalt des Fortifikationsoffiziers August Metzner ein ortsansässiger und deicherfahrener Stellvertreter an die Seite gestellt. Es war ohnehin klar, dass Lorentz unter den gegebenen Umständen keine dauerhafte Lösung fü,r das Oberdeichgräfenamt bilden konnte. Schließlich war es der Eiderstedter selbst, der unter Verweis auf die beschwerlichen Reisen um Enthebung von seinen Pflichten nachsuchte. Im Oktober 1699 wurde August Metzner offiziell zu seinem Nachfolger berufen und blieb bis 1711 im Amt.
Allerdings gab es von der Obrigkeit immer noch keine klaren Leitlinien für die Ausübung des Oberdeichgräfenamtes. Anders ist jedenfalls nicht zu erklären, dass Metzner kurz nach Amtsbeginn um die Erläuterung seines Aufgabengebietes bat. Fragen gab es nämlich in Hülle und Fülle: Die aus Metzners Sicht wichtigste Frage war, ob sich seine Aufsichtstätigkeit uneingeschränkt auf sämtliche Schauungen erstreckte. Dies bezog sich insbesondere auf die Kehdinger Verhältnisse, denn Metzner verwies ausdrücklich darauf, dass an etlichen orten alß im Lande Keding adelige Geschlechter mit der Deichgräfschaft belehnt worden seien und er nicht wusste, in wie weit er in deren Kompetenzen eingreifen durfte. Des weiteren wünschte Metzner zu klären, ob er eigenständig die notwendigen Anordnungen treffen konnte oder zuvor die Meinung der Regierung einholen sollte. Auch forderte er Einsicht in sämtliche Deichrollen der Marschdistrikte an Elbe und Weser und wünschte von der Regierung, dass sie die örtliche Deichgräfen anweise, ihm sofort etwaige Deichschäden zu melden als auch generell den nötigen Respekt vor seinem Amt zu erweisen.1 Wie schon in früheren Fällen, so reagierten nämlich auch jetzt die lokalen Deichgräfen misstrauisch auf diesen erneuten Versuch der Obrigkeit, sich in ihre Belange einzumischen.
Die Stader Regierung stellte dem neuen Oberdeichgräfen am 24. Oktober 1699 wunschgemäß eine Vollmacht aus - zugleich das Datum des offiziellen Amtsantrittes von August Metzner. Diese Vollmacht legte Aufgaben und Kompetenzen des Oberdeichgräfen dar. Das Amt umfasste demnach die Oberaufsicht &über die Deiche, Schleusen und Siele sowie – zuvor immer wieder schmerzlich vermisste - Maßnahmen zur vorsorglichen Deich- und Ufersicherung, unter anderem durch die Anlage von "Defensionswerken" (Stacken, Schlengen und ähnliches). Zudem sollte Metzner darauf achten, dass der Deichordnung von 1692 mit allem Fleiße nachgelebet werde.