Landschaft als kulturwissenschaftliche Kategorie
Vortrag Paris, 8.1.2010

Eine kürzere Fasssung des Textes mit zahlreichen Abbildungen ist erschienen in:
Zeitschrift für Volkskunde 104, Heft I/2008, S. 19-39.


1. Zur Einführung

Unter dem Titel „Landschaft quer Denken“ fand im September 2009 in Dresden eine interdisziplinäre Tagung zur Landschaftstheorie statt, veranstaltet vom gleichnamigen Arbeitskreis. Unter den rund 140 Teilnehmerinnen und Teilnehmern wurden historische und aktuelle Landschaftskonzepte und -theorien vorgestellt und diskutiert. Ziel der Tagung war es, die Repräsentanten unterschiedlicher Landschaftsdiskurse zusammenzuführen. In seinem Einführungsvortrag „Landschaft – überall und nirgends“ richtete der Literaturwissenschaftler Ludwig Fischer die Aufmerksamkeit auf die Diskrepanzen zwischen aktuellen landschaftstheoretischen Vorstellungen und dem klassischen alteuropäischen Landschaftsbegriff. Er wies auch darauf hin, dass derzeit keine einheitlichen Landschaftstheorien und –begriffe zu erkennen sind. Ganz im Gegenteil herrscht große Vielfalt an Theorien, Themen und Methoden vor.

Definitionen wie der europäischen Landschaftskonvention wurden dabei keinen großen analytischen Wert beigemessen. Wenn es dort heißt, dass Landschaften „ein vom Menschen wahrgenommenes Gebiet .. als Ergebnis des Wirkens und Zusammewirkends natürlicher und/oder anthropogener Faktoren ist“, so würde dies ja auch auf „Räume“ insgesamt zutreffen. Damit aber wären Räume und Landschaften nicht voneinander zu unterscheiden. Auch die Unterscheidung zwischen Kultur- und Naturlandschaft ist wenig hilfreich. Schon 1995 hatte der Geobotaniker Hansjörg Küster in seiner „Geschichte der Landschaft“ festgestellt, dass in Mittel- und Westeuropa jedwede Landschaft eine „Kulturlandschaft“ sei, also vom Menschen geformt. Selbst die vermeintlich unberührte Natur in den Naturschutzgebieten ist letztlich vom Menschen beeinflusst – eben durch die Unterschutzstellung.

Also bedarf es präziserer Definitionen. Die Kunsthistorikerin Karin Wendt schrieb vor kurzem in einem aufschlussreichen Aufsatz: „Wir sprechen von Landschaften, wenn wir etwas im Interesse seiner besonderen Formation, Gestaltung oder Organisation betrachten und es damit zugleich distanzierend beschreiben. Landschaften zu sehen, heißt zunächst, sich ein Bild von etwas zu machen.“ [1]

In den vergangenen Jahren unterlag dieses Bild, unterlagen Landschaftsverständnis und Landschaftsbegriff grundlegenden Veränderungen. Der klassische bürgerliche Landschaftsbegriff hat sich gewandelt. Insbesondere hat er sich abgelöst von jenen ästhetisch geprägten Bildern, die Landschaften als in sich geschlossene, homogene Räume verstehen.

Stattdessen sind neue Bilder von Landschaft entstanden, die die alten zwar nicht vollständig verdrängen, aber doch zunehmend überlagern. Es sind Bilder von partikularisierten Teil-Landschaften: Man denke an Konzepte wie John Brinckerhoff Jackson Cultural Landscape Studies, an die „Zwischenstadt“-Debatten und die Theorie der Mikrolandschaften – ich komme später darauf zurück. Dabei wird deutlich werden, dass unterschiedliche Gesellschaftsformationen sich jeweils andere Repräsentationen ihrer Umgebung schufen – oder, um es in den programmatischen Worten von Angelus Eisinger zu sagen: Landschaft ist der „Rahmen, in dem sich Gesellschaft in den Raum zeichnet“

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Quellen

[1]
Karin Wendt, Worin wir leben – Landschaften. In: Tà katoptrizómena. Das Magazin für Kunst, Kultur, Theologie, Ästhetik 62 (2009); Internet-Magazin, Link zum Beitrag: http://www.theomag.de/62/kw64.htm.



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