Landschaft als kulturwissenschaftliche Kategorie
Vortrag Paris, 8.1.2010

Eine kürzere Fasssung des Textes mit zahlreichen Abbildungen ist erschienen in:
Zeitschrift für Volkskunde 104, Heft I/2008, S. 19-39.


6. Resümee

Die derzeitigen Landschaftsdiskurse zeigen eine Ausfaserung des Landschaftsbegriffes. Problematisch ist die für eine Operationalisierung in der Forschung wenig hilfreiche „Grenzenlosigkeit“, die auch die interdisziplinären Debatten erschwert. Kunsthistoriker einerseits, Landschaftsarchitekten andererseits finden häufig nicht mehr zusammen.

Trotz aller neuerer Ansätze erscheint es voreilig, den klassischen alteuropäischen Landschaftsbegriff gänzlich zu verabschieden. Natürlich: Die Ästhetisierung des vermeintlich „Natürlich-Ländlichen“ ist einseitig. Aber noch immer wirken diese Traditionen nach, zeigt sich Landschaft – häufig en miniature - als „ästhetisch fundierte Sinnstiftung“ (Ludwig Fischer) auch im urbanisierten Raum.

Dennoch: In den postmodernen Landschaftsdiskursen geht es nicht mehr allein um die klassischen Formen von ästhetisierter Natur, sondern auch um Gewerbegebiete und Industriebrachen. Auf diesen und vielen anderen Wegen zeigt sich die Untersuchung landschaftlichen Wandels als ein erfolgversprechender Schlüssel zur Analyse regionaler, kultureller und gesellschaftlicher Entwicklungen: Landschaft ist „sedimentierte Geschichte“. [33]

Deutlich wird also, dass die Geschichte der Menschen im Blick auf die Landschaft, ihre Wahrnehmung und ihren Wandel eingeschrieben ist. Dies gilt für das gesamte Spektrum des Begriffs „Landschaft“ – von der klassisch-idealistischen Ästhetisierung der Natur bis zu den Patchwork-Landschaften urbanisierter Regionen.

Was not tut, ist die Kategorie „Landschaft“ als dynamisch zu verstehen und sie definitorisch und analytisch zu schärfen. Insbesondere muss sie von verwandten Begriffen wie „Raum“ und „Region“ abgegrenzt werden. Aus kulturwissenschaftlicher Perspektive – und im Kontext eines neuen, dynamischen Landschaftsbegriffs – bieten sich hier vielfältig Themen und Ansätze für Untersuchungen. Beispielsweise könnte man den Verflechtungen der Indoor-Landschaften mit den urbanisierten Lebenswelten nachspüren, aber auch die Traditionslinien der Landschaftssymbolik analysieren.

Angelus Eisinger plädiert jedenfalls dafür, die Potenziale einer dynamischen Landschaftsperspektive verstärkt zu nutzen. Im Blickfeld des Interesses sollten – neben den Erscheinungsformen der neuen Landschaften – nicht zuletzt die Akteure und Netzwerke, die Interessen und Bedürfnisse stehen, von denen Landschaft immer wieder neu produziert wird. Wir müssen uns, so fordert Eisinger, auf das Gefüge aus „sozioökonomischen und topographischen, kulturellen und mentalen Aspekten der Landschaft einlassen“. Dann kann – um es programmatisch noch einmal zu wiederholen – Landschaft betrachtet werden als der „Rahmen, in dem sich Gesellschaft in den Raum zeichnet.“ [34]

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Quellen

[33]
Brigitte Wormbs, Über den Umgang mit Natur. Landschaft zwischen Illusion und Ideal. Frankfurt/M. 1978 (2. verb. Auflage), S. 8.

[34]
Eisinger, Landschaftsgebrauch (wie Anm. ..), S. 71.

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