4. „Corporate Identity“ auf dem Friedhof: Über Gemeinschaftsgrabanlagen

Verbunden mit dem Aufkommen naturnaher Miniaturlandschaften zeigt sich gegenwärtig auch eine deutliche Tendenz zu Gemeinschaftsgräbern. Sie repräsentieren – wie das Beispiel des „Gartens der Frauen“ bereits zeigte – neue soziale Gruppierungen jenseit von Ehe und Familie, Klasse und Konfession. Bestimmte soziale Gruppen erhalten auf den Friedhöfen besondere Räume, die einer gestalteten „corporate identity“ unterliegen und in die das Einzelgrab integriert wird. [20]

Bereits Mitte der 1990er Jahre wurden Gemeinschaftsgrabstätten für Menschen eingerichtet, die an AIDS verstorben waren. Eines der frühesten Beispiele in Deutschland stammt vom Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg. Im Jahr 1995 wurde dort auf Betreiben des Vereines Memento e.V. eine aus dem Jahr 1897 stammende, aber nicht mehr genutzte Grabstätte mit einem historischen Grabmal umgestaltet: Das denkmalgeschützte Monument wurde restauriert und mit dem Schriftzug „Memento“ versehen („Memento I“). Eine neu eingravierte Schleife symbolisiert Verbundenheit und Solidarität mit den Verstorbenen. Auf der Grabstätte sind jeweils die Namen der Toten aufgeführt. Bereits nach kurzer Zeit war die Grabstätte „Memento I“ belegt, daher wurde später vom genannten Verein eine zweite und dritte Anlage eingerichtet. [21]

Ein markantes neueres Beispiel bilden Grabanlagen für Anhänger bestimmter Fußballvereine. Auf dem Hauptfriedhof Altona in Hamburg begann man 2007 mit der Anlage des stadionähnlich gestalteten „HSV-Friedhofs“: Drei „Tribünenrängen“ dienen der Aufnahme der einzelnen Gräber für Anhänger des Hamburger SV. Die Fläche, die mit Unterstützung des Vereines angelegt wurde, befindet sich direkt gegenüber dem HSV-Stadion. [22]

Unter einem gänzlich anderem Vorzeichen bedeutsam für neue, gemeinschaftsbezogene Anlagen sind Begräbnis- bzw. Gedenkstätten für totgeborene Kinder (so genannten Stillgeburten). Sie entstanden häufig auf den Friedhöfen in Zusammenarbeit mit lokalen Krankenhäusern und sind zu besonderen Orten der Trauer und Erinnerung geworden. In der Regel dienen sie – beispielsweise dank regelmäßiger Gedenkfeiern – auch für jene als Erinnerungsort, die dort keine Beisetzung durchgeführt haben. Zu den größten und bedeutendsten dieser Anlagen gehört der 2004 eingeweihte „Sternengarten“ auf dem Hauptfriedhof Mainz. Der Name dieser Grabanlage geht zurück auf eine Passage aus dem Roman „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry. [23]

Last not least spielt der Friedhof gegenwärtig eine wichtige Rolle als kulturpädagogischer Raum. Dies gilt zum einen für museale Aufstellungen kulturhistorisch bedeutsamer Grabsteine. An vielen Orten engagieren sich Vereinigungen um den Erhalt alter Friedhöfe und Grabdenkmäler – die Friedhofs- und Grabmalkultur wird musealisiert. So gibt es mittlerweile auf fast allen größeren Friedhöfen kulturhistorisch-museale Bereiche, in denen historische Grabdenkmäler neu inszeniert werden. Insgesamt ist also eine deutliche Tendenz zu erkennen, dass sich der Friedhof künftig in zahlreiche partikulare, unterschiedlich gestaltete Sonderräume aufteilt.



Quellen

[20] Creating Identities: Die Funktion von Grabmalen und öffentlichen Denkmalen in Gruppenbildungsprozessen, Kassel 2007.

[21] URL: www.memento-hamburg.de
(Seitenaufruf 31. März 2010).

[22] Zum Grabfeld für die Anhänger des Hamburger SV auf dem Hauptfriedhof Altona in Hamburg siehe sueddeutsche.de vom 22.8.2007; URL: www/sport/bundesliga/artikel/421/129203/article.html (Seitenaufruf: 8. Juni 2008); zum Umfeld siehe M. Herzog: Trauer- und Bestattungsrituale der Fußballvereinskultur. Totenmemoria – Ahnenbiographien – Stadionbegräbnis – Performance, in: Fischer/Herzog (Hg.), Nekropolis (wie Anm. 4), 181 – 210.

[23] URL: www.stillgeboren.de/Themenseiten/Friedhof/Graberfelder/SternengartenMainz/sternengartenmainz.html