1.Einleitung

Tod und Trauer sind besonders stark von Erinnerung und Gedenken geprägt. Die Nähe eines extremen Aspekts menschlicher Existenz hat zu kristallisierten Ausdrucksformen des Gedächtnisses geführt. "Gedächtnis und Tod entsprechen einander", vermerkte der französische Dichter Paul Valéry. Auch der Kulturwissenschaftler Jan Assmann stellt in seiner Arbeit über das "kulturelle Gedächtnis" fest, daß der Tod eine "Urszene" der Erinnerungskultur" ist - und nach seiner Ansicht die ursprünglichste Form des Bruchs zwischen Gestern und Heute.

So zeigen sich Friedhöfe, Grab- und Denkmäler als zentrale Schauplätze von Erinnerung und Gedächtnis. Sie bilden jene Gedächtnisorte, in denen Vergangenheit "vergegenwärtigt" wird. Dabei unterliegen diese Gedächtnisorte einem Wandel, der Zeugnis ablegt von kulturellen und gesellschaftlichen Veränderungen. Hier gilt, was Friedrich Nietzsche über die Bedeutung der Geschichte im allgemeinen schrieb: "... Daß ihr Werth gerade der ist, ein bekanntes, vielleicht gewöhnliches Thema, eine Alltagsmelodie geistreich zu umschreiben, zu erheben, zum umfassenden Symbol zu steigern und so in dem Original-Thema eine ganze Welt von Tiefsinn, Macht und Schönheit ahnen zu lassen."

Um eine "Alltagsmelodie" handelt es sich in der Tat, wenn im folgenden von Friedhöfen, von Grab- und Denkmälern als Gedächtnislandschaften die Rede ist. Es ist immerhin eine Melodie von ausgesprochen polyphoner Struktur, deren Aufschlüsselung Erkenntnisse verspricht, die weit über das Alltägliche hinaus auf die Dynamik gesellschaftlicher und kultureller Prozesse verweisen.

Den theoretischen Hintergrund liefern dabei zwei Konzepte, die aus der Geschichtswissenschaften stammen. Zum einen handelt es sich um ein von Jörn Rüsen und Burkhard Liebsch entwickeltes Konzept von "Trauer und Geschichte". Es analysiert "Trauer" als eine besondere Form der Auseinandersetzung mit Vergangenheit. Zum anderen handelt es sich um jenes Konzept der "Orte des Gedächtnisses", dass zuerst vom französischen Historiker Pierre Nora beschrieben wurde. Für meine eigenen Studie habe ich es modifiziert im Sinne von "Gedächtnislandschaften" ? was im folgenden zu erläutern sein wird.

Für meinen Vortrag habe ich drei Bereiche ausgewählt, um beispielhaft zu veranschaulichen, "wo wir erinnern":
1.) Denkmäler und Gedenkstätten, 2.) historische Friedhöfe des 19. Jahrhunderts, und 3.) Beispiele aus der Kunst.