4. Räumlicher Wandel und Landschaftstheorie

Die Wandlungsprozesse in Stadtregionen, wie dem Hamburger Umland bzw. der Metropolregion Hamburg, haben die Begrifflichkeit von Räumen und Landschaften beeinflusst. Dabei wird „Raum“ im Folgenden im Sinne eines „Container-Begriffs“ als flächenmäßig eindeutig zu definierende Synopse unterschiedlicher Orte verstanden, während „Landschaft“ als Konstrukt begriffen wird, das auf je unterschiedlich motivierte, interessengeleitete Wahrnehmungsformen verweist. Landschaften haben für bestimmte soziale Gruppierungen in ihrem eigenen Umfeld eine spezifische Bedeutung. Diese Bedeutung ist in der Regel sowohl kulturell als auch sozioökonomisch begründet. Sie verändert und entwickelt sich im Zuge historischen Wandels. „Wir sprechen von Landschaften, wenn wir etwas im Interesse seiner besonderen Formation, Gestaltung oder Organisation betrachten und es damit zugleich distanzierend beschreiben. Landschaften zu sehen, heißt zunächst, sich ein Bild von etwas zu machen“ (Wendt 2009).

Der klassische bürgerliche Landschaftsbegriff basiert auf dem Konstrukt eines ästhetisierten, „schönen“ Raumes, dessen Wahrnehmung ursprünglich auf die Idealisierung von Natur zurückgeht. Um 1800 erweiterte sich der Begriff dann zur Bezeichnung ländlicher Gegenden, wobei die alte Bedeutung insofern einfloss, als hier der romantische Blick des Stadtbürgers auf einen idealerweise als unverfälscht-„rural“ empfundenem Raum zu Grunde lag. Mit Industrialisierung und Urbanisierung wurde Landschaft auch zum kompensatorischen, positiv konnotierten Gegenpol der (Groß-) Stadt.

Diese traditionelle Trennung zwischen Stadt und Land jedoch hat, wie schon mehrfach betont, inzwischen ihre Bedeutung verloren. Nicht zufällig wird daher gegenwärtig der Begriff Landschaft in unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen kontrovers diskutiert, neu konzeptionalisiert und theoretisch ausgeleuchtet. Neue Schulen der Landschaftsforschung mit einer Vielfalt an Theorien, Konzeptionen und Themen sind entstanden. Das Spektrum reicht vom klassisch-neuzeitlichen Landschaftsbegriff bis zur partikularisierten Landschaftsauffassung postmoderner Ansätze (Küster 2012; Krebs/Seifert 2012). Von der so genannten Neuen Kulturgeografie her wirkte die „New Landscape School“ mit ihrem Verständnis von Landschaft als zu interpretierendem Text wegweisend für ein dynamisches Landschaftsverständnis (McDowell 1994). Entscheidend für die Weiterentwicklung landschaftstheoretischer Ansätze in Stadt-, Regional- und Landschaftsplanung ist die Transformation der Grenzen zwischen Stadt und Land gewesen, aber auch der Einbezug des vermeintlich „Hässlichen“. Der US-amerikanische Landschaftsforscher John Brinckerhoff Jackson fordert dies bereits seit langem (Brinckerhoff Jackson 1994). Neue Begriffsbildungen innerhalb der Landschaftstheorie verweisen auf diese Entwicklungen: „landscape urbanism“ (Waldheim 2006) und „landscapes abused“ (Landscapes 2007).

Damit werden auch in der Terminologie der Landschaftsforschung die Entwicklungen des postindustriellen Zeitalters aufgegriffen und verarbeitet. Zwischenzonen im Umfeld der Metropolen werden nicht mehr als landschaftliche terra incognita betrachtet. Die aus dem bürgerlichen Zeitalter stammende Vorstellung geschlossener räumlicher Einheiten mit ihrer vermeintlich identitätsstiftenden Wirkung wurde landschaftstheoretisch aufgelöst zugunsten von Konzepten, die der Spezifik räumlich-funktionaler Patchworks gerecht werden können.

Für das Beispiel stadtregionaler Landschaften erweist sich dabei der jüngst entwickelte Ansatz der „Mikrolandschaften“ als besonders fruchtbar zur Analyse neuer räumlicher Strukturen. Dies gilt nicht nur, weil er hierarchiefreie „Zwischen-Terrains“ zueinander in Beziehung setzt, sondern auch, weil der Ansatz eine der Grundvoraussetzungen der neuartigen Stadt-Land-Beziehungen einbezieht, nämlich die rasch wachsende Mobilität: „Beschleunigung und ... Mobilität haben die Landschaft nicht zum Verschwinden gebracht. Doch veränderte Bewegungspraktiken führen zu neuen Landschaftskonzepten. ... Die zeitgenössische Ausdrucksform der Landschaft verstehen wir als eine Agglomeration von Zwischenräumen, die wir als Mikrolandschaften bezeichnen. Mit einem überkommenen Begriff von ´Landschaft´ und deren ´Schönheit´ verbindet sie nur noch wenig“ (Franzen/Krebs 2006, S. 12)

Im Hamburger Umland bzw. später in der Metropolregion Hamburg haben sich seit den 1960er-Jahren durch die erwähnten Entwicklungen die räumlichen Strukturen „verflüssigt“. In der Folge entstand ein Teppich funktionaler Klein-Landschaften. Diese Mikrolandschaften sind als „Agglomerationen verschiedenster, in Bewegung erfahrener Zustände von Umwelt“ zu betrachten, die den agierenden Menschen mit einschließen und die als gesellschaftlich-kulturelles Konstrukt betrachtet und analysiert werden kann (Franzen/Krebs, S. 14 – 16).