1. Einführung

Das Hamburger Umland repräsentiert die sich wandelnden Räume zwischen Stadt und Land, wie sie sich seit dem späten 20. Jahrhundert entwickelt haben und seither mit unterschiedlichen Begriffen wie Zwischenstadt, Stadtregion, urbane Landschaft, „Beyond Metropolis“ oder Postsuburbia erfasst worden sind. Jenseits aller begrifflichen Vielfalt handelt es sich um einen neuen Raumtypus, der durch eine starke funktionale Ausdifferenzierung gekennzeichnet ist. Dabei hat sich ein räumliches Patchwork entwickelt, das ein pluralistisches Angebot von Nutzungs- und Handlungschancen offeriert (Sieverts 1997, Aring 1999, Bölling/Sieverts 2004, Boczek 2007, Läpple/Soyka 2007).

Das Hamburger Umland – als Kernbestandteil der heutigen Metropolregion Hamburg – umfasst nach regionalplanerischer Definition die vier direkt an die Großstadt grenzenden schleswig-holsteinischen Kreise Pinneberg, Segeberg, Stormarn und Herzogtum Lauenburg im Norden sowie die beiden niedersächsischen Kreise Harburg und Stade im Süden. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts hinein waren sie – abgesehen von vereinzelten Ausnahmen kleinerer Städte und verstädterter Zonen im direkten Hamburg-Randgebiet – agrarisch-kleingewerblich strukturiert. Gleichwohl hatte ihre exponierte Lage frühzeitig zu grenzüberschreitenden Fluktuationen und vielfältigen Verflechtungen mit der Großstadt geführt, insbesondere zu Berufspendlertum und Siedlungsdruck. Daher unterlagen die Hamburg-Umlandkreise auch relativ früh einem verstärkten dem Zugriff der Regionalplanung – die nördlichen noch eher und stärker als die südlichen –, was ihre Entwicklung entscheidend beeinflusste. Seit den 1950er Jahren unterliegt die Region einer besonderen räumlichen Dynamik. Unter stetig wachsendem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stellenwert wurde das Umland im Verlauf der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts immer stärker in eine grenzübergreifende Stadt- und Regionalplanung einbezogen, die in den 1990er Jahren in das aktuelle Konzept der Metropolregion Hamburg mündete (Döring u.a. 2003). Gegenwärtig zeigt sich das Hamburger Umland als eine planerisch gesteuerte funktionale Gemengelage von Wohn- und Gewerbegebieten, Verkehrsachsen, Freizeit- und Naturlandschaften sowie inselhaften Einsprengseln historischer Ensembles, kurz: ein räumlich reguliertes Patchwork unterschiedlicher Funktionsflächen.

Klassische Landschaftskonzepte können – wenn man „Landschaft“ als gesellschaftsspezifische Anschauung von Raum und Umwelt begreift (Fischer 2012b) – diesem Wandel nur noch bedingt gerecht werden, da sie auf der Vorstellung homogener, in sich geschlossener Räume basieren. Grundsätzlich wird das Verständnis von Landschaft in Europa geprägt durch die unterschiedlichen Perspektiven von Natur- und Kulturwissenschaften. Aus naturwissenschaftlicher Sicht entsteht und verändert sich Landschaft durch die konkreten materiellen Wechselwirkungen zwischen Natur und Mensch, sprich: aus der menschlichen Arbeit an der Natur. Historisch zeigte sich dies zunächst in den unterschiedlichen Varianten agrarwirtschaftlicher Tätigkeit, später auch durch die Folgewirkungen der Industrialisierung. Hingegen dominiert beim Landschaftsbegriff aus kulturwissenschaftlicher Perspektive die subjektiv-ästhetisierte Wahrnehmung ausgewählter Gegenden, die als in sich homogen aufgefasst werden und zumeist von Natur geprägt sind: Landschaft als „schöne Gegend“. Neuere landschaftstheoretische Ansätze hingegen, wie z.B. das Konzept der „Mikrolandschaft“ dekonstruieren das klassische, homogene Landschaftsverständnis und betrachten das Umland von Metropolen eher als funktionales Patchwork – wie in Abschnitt 4 noch ausführlicher zu erläutern sein wird.